Abbildung: Vergilius Romanus copyright BAV/Belser/Verlag Zürich

Während meiner beruflichen Laufbahn war ich 5 Jahre lang für die Firma Belser/Zürich in der Biblioteca Apostolica Vaticana im Vatikan tätig. Über diese Tätigkeit berichtet die Bietigheimer-Zeitung vom 24.12. 2009

BIETIGHEIM-BISSINGEN, 24. DEZEMBER 2009

Seite aus der Bietigheimer-Zeitung vom 24.12.2009, Texte & Bilder Copyright Bietigheimer-Zeitung

Buchkunst im Namen des Herrn
Jürgen Knopf hat im Vatikan als “Scanner-Operator” gearbeitet – sowie Einblicke ins Geheimarchiv erhalten

Zur Weihnachtszeit erinnert sich Jürgen Knopf aus Bietigheim-Bissingen ganz besonders an seine Zeit im Vatikan. Als “Scanner-Operator” hat er dort die Grundlagen für zeitlose Buchkunst geschaffen, er las im Geheimarchiv Briefe von Luther und lernte Papst Johannes Paul II. kennen.

Von Jörg Palitzsch

Die Bibliothek des Vatikans, die Bibliotheca Apostolica Vaticana, ist ein magischer und geheimnisvoller Ort. Sie enthält 1,6 Millionen gedruckte Werke – antike und moderne Ausgaben – , 8300 Wiegendrucke, 150 000 Manuskripte und Verzeichnisse, 300 000 Münzen und Orden sowie über 100 000 Drucke.

Jürgen Knopf kam schon in jungen Jahren in Berührung mit dieser Bibliothek. Nach seiner Ausbildung war er landesweit der jüngste “Scanner-Operator” und verfügte über entsprechende Kontakte. Der Belser-Verlag war es schließlich, der Knopf nach Rom schickte. Dieser Verlag hat die Rechte erworben, Faksimile aus der Bibliothek des Vatikans herzustellen, wobei man seitens der Katholischen Kirche einen handfesten wirtschaftlichen Grund dazu hatte. Mit dem Verkauf der Rechte und der Einnahmen der Tantiemen konnten der Buchbestand und die Bibliothek auf Vordermann gebracht werden.

In der ersten Zeit in Rom habe er im Hotel Columbus ganz in der Nähe des Vatikans gewohnt, erzählt Knopf.

Die Wohnungssuche gestaltete sich zunächst schwierig, schließlich sei er doch fündig geworden. Für drei Zimmer, “möbliert” mit drei Stühlen, wurden im Monat 2500 Mark fällig.
Die Arbeit im Vatikan war für Jürgen Knopf dann eine Zeit, die ihn bis heute beschäftigt und ein Stück weit auch geprägt hat. Voller Stolz zeigt er seine Buch-Arbeiten, die bis heute angeboten werden und, schön gestaltet, bei vielen Liebhabern einen Sonderplatz im Regal haben.Im Vatikan suchten die Werke, darunter Bücher von Dante und Vergil, zunächst Wissenschaftler aus, die anschließend “entbunden” und restauriert wurden. In einem weiteren Schritt nahmen sich Spezialisten wie Knopf der Pergament-Folios an und fotografierten Rück- und Vorderseite. Davon gab es dann Dias, 18 x 24cm, die eingescannt wurden.

Das Ergebnis schlägt sich bis heute in klein- und großformatigen Büchern nieder. Bearbeitet und vor allem aufgearbeitet hat Jürgen Knopf zahlreiche christlich geprägte Manuskripte, wie etwa die vier Evangelien, das Evangeliar des II. Vatikanischen Konzils. Durch seine Hand und Bearbeitung ging allerdings auch eines der kleinsten Manuskripte des Vatikans, die Messen des heiligen Franz von Assisi und der Heiligen Anna aus dem 16. Jahrhundert. Der Faksimileband im Mini-Format entspricht der originalgetreuen Wiedergabe und erschien in den deutschsprachigen Ländern lediglich in einer Auflage von 980 Exemplaren.
Handlicher, aber nicht weniger kostbar ist das Offizium der Madonna. Am Beginn dieses kostbaren Stundenbuches steht ein Kalendarium mit den Darstellungen der zwölf Tierkreiszeichen.

Eine besondere Spezialität der flämischen Buchmaler war der Randdekor mit Blumen und Tieren. Hinzu kommen in diesem Buch Bordüren mit fantasievollen Architekturmotiven in perspektivischer Ansicht, die sämtliche Miniaturen einrahmen. So entsteht um das Bild für den Betrachter scheinbar ein dreidimensionaler Raum. Kein Wunder, dass sich der Papst persönlich bei Knopf über die Arbeit informierte, selbstverständlich in deutscher Sprache.

So habe man sich bei der Arbeit im Vatikan der Umgebung entsprechend gekleidet und auch benommen. Streng darüber gewacht hat in der Bibliothek seitens der Kirche der österreichische Kardinal Alfons Maria Stickler, der später aufstieg und in Rom für die Selig- und Heiligsprechung zuständig war. Wie streng es im Vatikan zuging, beschreibt Knopf an einer kleinen Begebenheit. So wurden Doktoren und Professoren, die ein Buch vor sich hatten, die Seiten von Angestellten des Vatikans mit Handschuhen umgeblättert.

Der Nachfolger Sticklers in der Bibliothek war der kanadische Professor Leonhard Eugen Boyle, der sich weltoffener zeigte. Sein grenzenloses Vertrauen in die Menschen wurde ihm offensichtlich zum Verhängnis und führte wohl zu seiner vorzeitigen Entlassung. Man mutmaßt, dass dieses Vertrauen von einem amerikanischen Professor missbraucht wurde, da zwei Blätter aus einer Petrarca-Handschrift aus den Beständen der Bibliothek entwendet werden konnten.

Dokumente aus der Bibliothek des Vatikans herauszuschaffen sei eigentlich unmöglich gewesen, erzählt Knopf. Am Eingang, der Porta Santa Anna, gab es Kontrollen durch die Schweizer Garde und die Polizei des Vatikans. Mit der Zeit habe man ihn aber gekannt, schließlich spielte Knopf in der Fußballmannschaft der Bibliothek mit.

Einblicke habe er durch seine Arbeit auch in das Geheimarchiv nehmen können. So las Jürgen Knopf Originalbriefe von Martin Luther und Leonardo da Vinci. Besonders beeindruckt war er von der reichlich geschmückten Scheidungsurkunde Heinrich des Achten.

Im Vatikan, so Knopf, wurde sogar Verbotenes möglich. So habe ein Onkel aus Frankfurt unbedingt im Petersdom Orgel spielen wollen, was Kardinal Stickler ablehnte. Über den Chefrestaurator war es dann doch möglich. Während einer Messe tauschten der Organist und der Frankfurter einfach die Plätze. Bemerkt hat dies niemand.

 Hoher Besuch im Belser Studio des Vatikan (v.l.): Jürgen Knopf, Bernd Friedrich (Prokurist der Belser Verlag AG), S.E. Kardinal Alfons Maria Stickler und Pontifex Johannes Paul II.
    Zwischen Kardinal Stickler und dem Pontifex steht Dr. Ing. Rudoph Hell, der Erfinder der Chromagraphen/Scanner. Links neben dem Papst Hans Weitpert, Belser Verlag und ehem. VFB-Präsident.